Cognitive Sciences 2015CS15-036

Universal Aesthetics of Lines and Colors? Effects of Culture, Expertise, and Habituation


Universal Aesthetics of Lines and Colors? Effects of Culture, Expertise, and...
Principal Investigator:
Institution:
Co-Principal Investigator(s):
Helmut Leder (University of Vienna)
Status:
Abgeschlossen (01.07.2016 – 30.06.2020)
Fördersumme:
€ 598.300

Künstler*innen und Kunsttheoretiker*innen, später auch Kunsthistoriker*innen und Psycholog*innen erforschten seit dem achtzehnten Jahrhundert die Ästhetik von Linien und Farben als grundlegende formale Elemente der Malerei. Sie alle gingen davon aus, dass es von der Qualität und dem Zusammenspiel dieser künstlerischen Grundelemente abhängt, ob ein Kunstwerk als heiter, dynamisch, traurig oder fröhlich (so typische Kategorien ästhetischer Effekte), schön und oder interessant (Kategorien für Präferenz) empfunden wird. Trotz mancher Unterschiede in den Perspektiven und Schlussfolgerungen stimmte man darin ein, dass Menschen sich weitgehend einig sind, wie sie die ästhetische Wirkung von Linien und Farben wahrnehmen, und dass sie ähnliche ästhetische Präferenzen haben.


Wir haben zum ersten Mal die Theorie einer universellen ästhetischen Wirkung systematisch und kritisch untersucht. Das erfolgte durch eine Verknüpfung von Recherchen und Analysen zur Geschichte dieser Theorie mit Experimenten, in denen wir getestet haben, wie einzelne Linien und einzelne Farben, Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elementen bis hin zu ganzen Kunstwerken auf den Betrachter wirken. Um den Grad der Übereinstimmung bei der Beurteilung ästhetischer Objekte zu testen, haben wir ein neues Studiendesign entwickelt.


Die Ergebnisse zeigen, dass die Übereinstimmung zwischen Personen unerwartet niedrig ist, dass die Übereinstimmung nicht von der Kunstexpertise abhängt und dass die Beurteilung von Präferenz subjektiver ist, als jene von ästhetischen Effekten. Während die allgemeine Übereinstimmung niedrig ist, stimmen die Menschen in Bezug auf einige Stimuli und für bestimmte Beurteilungsskalen weitgehend überein, etwa in der Bewertung von aktiv/passiv in Bezug auf einzelne Linien und warm/kalt in Bezug auf einzelne Farben.

Der so deutliche Widerspruch zwischen dem starken historischen Anspruch auf universelle ästhetische Empfindungen und einer schwachen experimentellen Evidenz hat uns überrascht. Er gab den historischen Studien eine neue Perspektive. Wir haben daraufhin festgestellt, dass dieser Widerspruch durchaus schon früher bemerkt wurde, aber kaum je ausgesprochen. So führte beispielsweise Wassily Kandinsky 1923 am Bauhaus einen Fragebogen durch, um zu testen, wie Menschen die ästhetische Wirkung von Farben und geometrischen Formen miteinander verbinden. Er hat die Ergebnisse nicht veröffentlicht, wahrscheinlich weil sie seine Theorie nicht widerspiegelten. Bereits früher, seit dem späten neunzehnten Jahrhundert, hatten mehrere Autoren das Konzept der ästhetischen Sensibilität als Gegenmittel zu diesem Widerspruch entwickelt: Wer ästhetische Effekte nicht richtig wahrnimmt, ist (noch) nicht
sensibel für sie.

Das Projekt war nur durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kunsthistoriker*innen und Kognitionspsycholog*innen möglich. Die Ergebnisse stellen grundlegende Annahmen beider Disziplinen in Frage. Wir gehen davon aus, dass sie einen tiefgreifenden Reflexionsprozess nicht nur in diesen Wissenschaftsbereichen, sondern auch in der Kunstkritik und Kunstpädagogik auslösen werden.

 
 
Wissenschaftliche Disziplinen: Art history (50%) | General psychology (50%)

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